AFFAIRS OF A CARTOGRAPHER or a Room with a (Labyrinthian) View

Adam Budak on the project "Streets"

Adam Budak
DIE AFFÄREN EINES KARTOGRAFEN
ODER EIN ZIMMER MIT (LABYRINTHISCHER) AUSSICHT

Dem Knaben, der an Karten und Stichen Freude hat,
Scheint das Universum wie sein Verlangen grenzenlos.
Ach! Wie ist die Welt so groß beim Schein der Lampen!
In den Augen der Erinnerung ist die Welt so klein!

Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen

Aus einer aus mannigfaltigen Kodierungen bestehenden formalen Akrobatik erwächst ein komplexes Bild: eine sorgfältige Zeichnung der Nachbarschaft, eine Skizze einer ganz bestimmten Umgebung, in der der Künstler während einer seiner zahlreichen Reisen und Wanderungen gewohnt hat. Die räumliche Umgebung vor Ort wird minuziös als Piktogramm erfasst, in einer alternativen Sprache des Raumes, und als solches in einer Wohnung, die sich innerhalb des dargestellten Gebiets befindet, an der Fensterscheibe angebracht. Das fertige Bild ist eine Abfolge von Überlappungen und Überlagerungen, auf der mittels einer sehr persönlichen Karte, einem fast abstrakten Beleg für einen realen und physikalischen Ort, das Verhältnis zwischen dem Innenraum des Künstlerzimmers und dem Außen des urbanen Raumes verhandelt wird. Das Bild offenbart eine duale Struktur: Es besteht aus einem fotografischen Zitat der Wirklichkeit und einer grafischen Aufzeichnung eines aus ihr ausgewählten Territoriums. Das Fenster bietet eine Aussicht, die einen Rahmen für einen symbolischen Akt eines visuellen und geistigen Austausches von Erzählmustern und Handlungssträngen bezeichnet. Hier, auf seiner transparenten Oberfläche, wird eine Art elementare Geografie inszeniert, die Performance des Zeichnens einer ganz gewöhnlichen räumlichen Struktur, die sich unerwartet in ein enigmatisches Verwirrspiel unheimlichen Ursprungs verwandelt, in die Imitation einer Karte oder eines Plans, die die Sprache (ortsbezogener) Geografie missbraucht und sich deren Werkzeuge aneignet, um die Choreografie eines noch unbekannten und noch kommenden – möglicherweise imaginären – Ereignisses zu entwickeln.

Karl-Heinz Klopfs Projekt Streets, das er 1996 nach seiner Rückkehr aus Tokio in Angriff genommen hat und welches er noch immer verfolgt, ist ereignishaft: Es birgt das Potenzial für ein Ereignis in sich und verspricht auf diese Weise eine vielschichtige Geschichte. Es ist ein Schlachtplan (oder ein Tatort?) und die (packende) Erzählung erinnert fast an einen Detektivroman, manifestiert die Gesamtheit der Beweismittel im Rahmen einer (privaten) Ermittlung oder einen zufällig aufgezeichneten Bruchteil der Wahrheit, mit den visuellen Mitteln der Zeichnung erfasst, wie in Greenaways Kontrakt des Zeichners, oder in Form eines (verborgenen) und unerwartet eingefrorenen Fotodetails in Antonionis Blow Up. Als räumliches Diagramm verbirgt es ein Geheimnis, ein fehlendes Glied von wahrhaft Hitchcock’schem Suspense, das die Fantasie durch eine gewisse unwissentliche Verfolgung eines Plots, der in die komplexe symbolische Sprache eines labyrinthischen und zu einer bestimmten urbanen Umgebung gehörenden piktogrammatischen Kodes eingeschrieben ist, anregt und fasziniert. In seiner Analyse des ägyptischen Labyrinths, wie es von Herodot beschrieben worden ist, bemerkt Hubert Damisch, dass sich, „jenseits bestimmter räumlicher oder bloß numerischer Grenzen, und wie klar verständlich und regelmäßig ihr Plan auch sei, jede gebaute Struktur für vielfältigste Durchquerungen eignet, die selbst labyrinthisch sind“. Anschließend erinnert er an Benjamin und dessen Interpretation von Poe und Baudelaire hinsichtlich des Gedankens, dass „die Wege, die der Stadtmensch, der Mensch der Masse, verfolgt, evozieren die unlesbare, nicht entzifferbare Gestalt eines Labyrinths, dessen unterirdische Präsenz das Bild der Stadt umso mehr verwischt, insofern als diese gleichförmig und ausgedehnt ist“. Damisch richtet seine Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Fenstern als einer der Blicke auf sich selbst, die die Stadt eröffnet – ein privilegierter Blick singulärer, individueller und privater Natur sogar, jener durch den sowohl die Straße als auch das Labyrinth der Stadt in den Raum hereinbricht, in dem das Subjekt wohnt. Fenster sind Orte, an denen sich Innenräume und Außenräume begegnen, wo das Innen auf das Außen trifft, und fungieren auf diese Weise als „Embleme oder Symbole eines zirkulierenden Flusses, der physischen, triebhaften Impulse, die für Großstädte charakteristisch sind, deren Glas nicht in der Lage ist, die Gewalt des Außen zu filtern“. In Karl-Heinz Klopfs Projekt werden sie zu Wandtafeln einer subjektiven Geografie, auf denen das urbane Labyrinth mit all seiner realen und fiktiven Topografie geistiger und körperlicher Ereignisse überbelichtet und entziffert wird, dienen aber auch als (optische) Instrumente gesellschaftlicher Kontrolle und sind (durchsichtige) Zeugen von auf den Straßen begangenen Verstößen und all der gesetzlich verbotenen und nicht autorisierten Nutzungen des öffentlichen Raumes, also wahrhaft Borges’sche Spiegel (urbaner) Rätsel.

In der Fotoserie des Künstlers jedoch ist die Phantasmagorie des Rätselhaften und des Außergewöhnlichen fest verflochten mit dem Gewöhnlichen und Elementaren. Seine Streets sind die Orte des Durchschnittsmenschen, „eines ganz gewöhnlichen Helden, also von allgegenwärtigen Figuren, die zu Tausenden und Abertausenden die Straßen bevölkern“ und denen Michel de Certeau sein Buch L’Invention du quotidien (1980; 1988 in englischer Übs. als Practice of Everyday Life erschienen) widmet. Darüber hinaus scheint das Projekt aus einer räumlichen Praxis heraus entstanden zu sein, die die Sehnsucht danach, einen Raum zu zähmen mit der wahrhaft Borges’schen Illusion, „das Ganze zu besitzen“, verbindet auf dem Weg zur Schöpfung eines Wissens jenseits der Dimension des Örtlichen und des Intimen. Bei der Begegnung mit Karl-Heinz Klopfs Fotografien erinnert man sich sowohl an die verwunderliche Ekstase der Repräsentation, wie sie sich in der Pathologie des Maßstabs und der Proportionen ausdrückt, die sich in Borges’ Beschreibung eines perfekten quasi wissenschaftlichen und hypnotischen Versuchs spiegelt, die Grenzen der Wirklichkeit mit Worten abzustecken, als auch an eine Krise der Repräsentation, wie sie de Certeau in seinen Studien über das „Gehen in der Stadt“ analysiert, die mit der Aneignung der Erfahrung, Manhattan aus dem 110. Stock des ehemaligen World Trade Centers zu betrachten, beginnt: „Was der Betrachter wahrnimmt, ist eine geometrische Ekstase am Rande des optischen Zusammenbruchs: eine Welle der Vertikalen. Die Höhe verwandelt ihn in einen Voyeur, für den die Welt, von der er besessen war, nun als Text erscheint, der vor seinen Augen liegt.“ Doch für de Certeau ist diese „gewaltige Texturologie“ bloß eine Fiktion, eine Darstellung, ein optisches Artefakt, das einer von einem Raumplaner, Stadtplaner oder Kartografen erstellten naturgetreuen Nachbildung ähnelt. In seiner Kritik der Lust am „Sehen des Ganzen“, einer Panorama-Stadt als theoretisches visuelles Simulakrum, wendet er sich den ganz normalen Stadtfachleuten zu: den Spaziergängern, „deren Körper den guten und schlechten Passagen eines urbanen Texts folgen, den sie schreiben, ohne ihn aber lesen zu können“. Da er demnach räumliche Praktiken erkennt, erweitert Michel de Certeau die Bedeutung des Begriffes des Flanierens. Seine „Rhetorik des Gehens“ ist eine Strategie der Konzentration auf den Alltag und des Fokussierens auf das Gehen zum Zwecke der Überwindung der funktionalistischen Sicht der Stadt als Blick von oben. Hier wird das Gehen als eine bestimmte Art einer „poetischen Geografie“ urbaner Orte wahrgenommen, mit dem Ziel, „Mikroerzählungen“ zu konstruieren, die eine Verbindung zu dem sich bewegenden bzw. spazieren gehenden Körper aufweisen. Durch seine Beschäftigung mit Fragen der Repräsentation und seine Kartierung des Terrains seines zwischenzeitigen Wohnorts verhandelt Karl-Heinz Klopf das symbolische Vokabular einer doppelten Lüge, die man häufig mit der Ausarbeitung von Landkarten assoziiert. Der (urbane) Miniaturtext oszilliert zwischen Auslassung und Verfälschung: er synthetisiert und simplifiziert eine bestimmte gewählte Umgebung, filtert und zensiert sie folglich durch die Linse seiner eigenen Wahrnehmungsfähigkeit, seiner Absichten und eines Auswahlverfahrens, manipuliert sie gar, verschiebt ihre Geometrie und ihre Proportionen gemäß seiner eigenen Zielsetzungen und Anweisungen. Das auf diese Weise erlangte reduzierte und sublimierte „transponierte Bild“ wird zu einem autonomen Zeichen, einem Symbol an der Kreuzung zwischen Realität und Imagination, Information und Fiktion, im Schatten der Wahrheit und der Illusion von Gesamtheit.

Klopfs Serie Streets ist ein persönlicher Reisebericht und ein Tagebuch des Gehens, welches mithilfe eines Alphabets der Piktogramme verfasst ist, von denen jedes einzelne ein autonomes räumliches Gedicht darstellt, das, in einem Gewebe von Netzwerken und unabhängigen Pfaden, von den Fragmenten von Bahnen und durch Veränderung von Räumen geformt worden ist. Hier ist das Gehen ein Raum des Ausdrucks: laut de Certeau ist es der Prozess der Aneignung des topografischen Systems durch den Spaziergänger, doch ist es auch ein räumliches Ausspielen des Ortes und impliziert Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Positionen, während man sich zwischen den Orten bewegt. Ähnlich einer Postkarte aus einem fernen Reiseziel tragen Klopfs Fotografien die (anonyme) Inschrift From/To, was sowohl auf die Reise- (oder Marsch-) Route hindeutet, der sich der Künstler gestellt hatte, als auch möglicherweise auf die persönliche Beziehung, die mit diesem Zeichen der Präsenz und Indiz für einen geografischen Punkt angesprochen wurde. Es ist eine Art Nachweis für die Existenz einer Realität, ein grundlegender Aspekt einer Legende, die zusammen mit der Erinnerung und dem Traum einen symbolischen Mechanismus konstituiert, der die Topoi einer Stadt oder über eine Stadt organisiert. Einer Landkarte beigefügt, bietet eine Legende eine narrative Struktur und verleiht den verwendeten Symbolen und Kodes aus dem Bereich des geografischen Wissens Bedeutung. Sie ist ein Feld voller Namen und Symbole, Icons und Farben, die die Oberfläche eines topografischen Plans bedecken, eine Tafel, auf der alle Geschichten und alle Information gleichzeitig versteckt und offenbart sind. Klopfs Fotoserien sind die Sammlungen solcher Legenden und Mythen, die sowohl an japanische „Adressbücher“ mit deren überlebensgroßem narrativen Volumen gemahnen, als auch an die Embleme einer minimalen Stilistik, die vermittels ihrer Spannung zwischen transzendentalem Bestreben und formaler Einfachheit wirken. Indem sie immer von einem sehr präzise bestimmten Ort handeln, sind sie auch Sammlungen von Erinnerungen und Identitäten, Fingerabdrücken subjektiven Raumes und subjektiver Zeit gleich, Diagramme vergangener Ereignisse sowie flüchtiger Momente, Denk- und Erfahrungseinheiten, die hier prägende Gegebenheiten bei der Erzeugung einer räumlichen Organisation des Wissens werden. So sind die Piktogramme auf die Glasflächen von Fenstern aufgetragen, was sie wieder mit dem Außen verbindet, aus dem sie kommen und dem sie auch angehören. Sie manifestieren die Sammlung der Projektionen, Träume und Trugbilder eines (echten) Raumes, einem geistigen Außen, das der Künstler in seiner persönlichen Kartografie gezähmt und sich angeeignet hat, erfasst und in den vertrauten Rahmen eingebettet hat, jenseits aller denkbaren Vernunft und Kategorisierung. Was wir hier haben, ist ein Katalog ganz persönlicher Mythologien, eine Erinnerung und ein Traumbuch, das im Archiv eines hektischen Kartografen lagert.

In seinem Versuch der Erzeugung eines räumlichen Wissens, erfüllt Karl-Heinz Klopf die mannigfaltige Aufgabe des Geografen und Kartografen. Er zeichnet seine eigene ganz persönliche Landkarte, die häufig als Modell gekennzeichnet ist, in dem Symbole für räumliche Phänomene in der „wirklichen“ Welt stehen. Mit dieser Tätigkeit betritt der Künstler das Terrain ontologischer und epistemologischer Fragen hinsichtlich der Fragen, was die „Realität“ eigentlich sei, wie man sie darstellen bzw. interpretieren oder lesen könne. Hier ist die Landkarte ein ganz besonderer Text, eine verallgemeinerte Darstellung der Wirklichkeit, und befasst sich als solche laut Arthur H. Robinson mit vier Elementen (Vereinfachung, Klassifizierung, Symbolisierung und Induktion), die seine Benutzer mit den räumlichen Informationen und Daten versorgen. Jacques Bertin, der eine Theorie der grafischen Semiologie aufgestellt hat, erarbeitet die Schemata für die Nutzung grafischer Symbolisierung, die den beiden Hauptfunktionen einer Landkarte dient: als Visualisierungstool und als Kommunikationsmittel. Diesen Zwecken wird mit drei Kategorien von Symbolen Rechnung getragen: Punkt, Linie und Fläche. Diese sind verantwortlich für die Hierarchie der Objekte untereinander, die Maße, Maßstäbe, Dichten und alle anderen Parameter, die der Kartograf in seiner akribischen Beschäftigung mit der Darstellung der Welt ordnet und folglich bei seiner Aufgabe „die Welt zu zeichnen“ anwendet. Wenn man seine Etymologie betrachtet, bedeutete geo graphein im Griechischen das Zeichnen (oder Schreiben) der Welt; Geografie ist die Geschichte einer Linie – und als solche nichts anderes als das Zeichnen und Interpretieren einer Linie. Karl-Heinz Klopf zeichnet eine Linie, während er durch die Straßen flaniert, die eine Zeit lang seine Nachbarbarschaft umfassen und bilden und entwirft auf diese Weise lineare Architekturen von ganz besonderer Sorgfalt, Präzision und Eleganz. Allein das Wort „Linie“ hat, wie Roland Barthes am Anfang von Reich der Zeichen betont, zwei Bedeutungen, eine grafische und eine sprachliche. Grafik und Sprache sind untrennbar mit dem Schreiben verbunden und stellen folglich eine ganz besondere Ausdrucksform von gleichzeitig verbaler und nonverbaler Natur dar. In den Worten von Deleuze und Guattari „bestehen wir aus Linien […] oder vielmehr, aus Bündeln von Linien, denn jede Art ist mehrfach“, und es ist unsere Aufgabe, unsere eigenen Fluchtlinien zu erfinden und sie in unserem Leben effektiv, jedoch subtil zu zeichnen. In Abhängigkeit vom Individuum oder seiner Gattung stellen Linien die Matrix menschlicher Navigation dar und beschreiben die Bahnen unseres Handelns. Die Autoren entsinnen sich der Studien von Fernand Deligny, der mithilfe von Landkarten, auf denen das Gehen, aber auch Wahrnehmungen, Gesten und Sprache durch „Abweichungslinien“ und „Gewohnheitslinien“ strukturiert sind, die Linien und Wege von autistischen Kindern transkribiert. Diese Linien stoßen ständig aufeinander, überkreuzen sich für einen Augenblick, verfolgen einander und drücken auf diese Weise eine gewisse Dynamik jener kartografischen Affäre aus, aus der unsere Landkarte besteht: Dergestalt ist das Rhizom, das bald der geometrische Ort der Sprache wird, ein Signifikant und eine Struktur, eine weitere labyrinthische Architektur, ein Rattenbau, der einen Körper ohne Organe („selbst eine abstrakte Linie mit weder imaginären Figuren noch symbolischen Funktionen“) darstellt. Was ist dein Körper ohne Organe? – Deleuze und Guattari untersuchen – „was sind deine Linien? Welche Landkarte bist du dabei zu erstellen oder neu zu gestalten? Welche abstrakte Linie wirst du ziehen, und zu welchem Preis, für dich und für andere? Was ist deine Fluchtlinie? Was ist dein Körper ohne Organe, der mit dieser Linie verschmolzen ist? Brichst du zusammen? Wirst du durchdrehen? Deterritorialisierst du? Welcher Linie dienst du, und welche erweiterst du oder nimmst du wieder auf?“ Bestehend aus sich gabelnden Linien und Krümmungen sind Karl-Heinz Klopfs Piktogramme subjektive Rhizome, Deleuze’sche Landkarten, die sowohl am Experimentieren mit dem Realen als auch an der Konstruktion des Unbewussten beteiligt sind und sich durch Potenzialität und Flexibilität auszeichnen: „Die Karte ist in all ihren Dimensionen offen und anschlussfähig; sie ist abtrennbar, umkehrbar und kann ständig verändert werden. Man kann sie zerreißen, umdrehen, an jede Art von Montage anpassen. Sie kann von einem Individuum, einer Gruppe oder einer sozialen Formation überarbeitet werden. Man kann sie auf eine Wand zeichnen, als Kunstwerk begreifen, als politische Aktion oder als Meditation konstruieren.“ Hier liegt ein Wörterbuch der Strategien und Taktiken vor, ein Aufgebot an Verfahrensweisen, ein Garant für psychische Annehmlichkeit und Sicherheit, doch andererseits eine Angst im Netzwerk der sich kreuzenden Linien verloren zu gehen, in einem Labyrinth multipler Eingänge in eine Sackgasse zu geraten oder Linien zu verfolgen, die sich niemals treffen …

In Karl-Heinz Klopfs Fotoserie ist die Kennzeichnung oder Verfolgung eines Raumes verflochten mit einer Sehnsucht, Zeit festzuhalten. Sein From /To bezeichnet eine räumliche Beziehung, doch befasst es sich in gleichem Maße mit einer bestimmten Dauer, einem Zeitfluss. Jede einzelne Karte oder Zeichnung ist in gleichem Maße Zeugnis eines bestimmten Raumes wie ein Kalender der Reisen und Spaziergänge, gewissermaßen ein Reisetagebuch des Aufbrechens und des Ankommens. Sie dokumentiert eine Präsenz auf eine ähnliche Weise wie On Kawaras „Datumsbilder“ oder dessen Postkarten, die darauf abzielen, (persönliche) Zeit zu visualisieren und das Leben zu erfassen; oder Roman Opalkas malerische, fotografische oder tonale „Rituale“, während derer der Künstler fast buchstäblich den vorübergehenden Augenblick einfängt, indem er die Zahlen einschreibt und „ausspricht“ und gleichzeitig in einer Serie von fotografischen Selbstporträts eine Landkarte der Zeit zeichnet. Karl-Heinz Klopfs Präsenz ist in erster Linie eine räumliche und reflektiert als solche, wie Gedächtnis und Erinnerung, Verlangen und Trennung funktionieren, doch nicht zuletzt offenbart sie eine Konstruktion privater Geschichte(n) und Affären – zwischen Hypothesen und Tatsachen, Wahrheit und Fiktion – in einem anhaltenden Prozess der Übersetzung in eine überall vorhandene Sprache des kollektiven Bewusstseins.

Literatur:
Barthes, Roland. Empire of Signs, Hill & Wang, 1983.
Berg, Stephan; Engler, Martin (Hrsg.). Die Sehnsucht des Kartografen, Kunstverein Hannover, 2004.
Bertin, Jacques. La Sémiologie graphique, Mouton, Paris 1967.
Damisch, Hubert. Skyline. The Narcissistic City, Stanford University Press 2001.
de Certeau, Michel. The Practice of Everyday Life, University of California Press 1988.
Deleuze, Gilles; Guattari, Felix. A Thousand Plateaus, University of Minnesota Press 1996.

Veröffentlicht in: Karl-Heinz Klopf: From/To, Bielefeld/Leipzig: Kerber Verlag, 2007.

Adam Budak
AFFAIRS OF A CARTOGRAPHER
OR A ROOM WITH AN (LABYRITHIAN) VIEW

For children crazed with maps and prints and stamps—
The universe can sate their appetite.
How vast the world is by the light of lamps,
But in the eyes of memory how slight!

Charles Baudelaire, The Flowers of Evil

In a formal acrobatics of multiple codings, a complex image appears: a careful sketch of the neighbourhood, an outline of particular surroundings temporally inhabited by the artist during his numerous travels and wanderings. The place of spatial proximity is being meticulously registered as a pictogram, an alternative spatial language, and as such it is fixed on the window pane of an apartment, located within the depicted area. The final picture is a sequence of overlappings and superimpositions where the interior of the artist’s room is negotiated with the exterior of urban space through a very personal map, an almost abstract evidence of a real and physical location. The image consists of a twofold structure: a photographic quotation of reality and a graphic record of its selected territory. The window offers a view which constitutes a frame for a symbolic act of visual and mental exchange of patterns and story lines. Here, on its transparent surface, a sort of elemental geography is being staged, a performance of drawing the ordinary topology which unexpectedly turns into an enigmatic riddle of uncanny origin, an imitation of a map or a plan which abuses the language of (local) geography and appropriates its tools in order to elaborate a choreography of a still unknown and yet to come—possibly imaginative—event.

Karl-Heinz Klopf’s project Streets is evental: it bears a potential of a happening and as such it makes a promise of a multilayered story. It is a plan of action (or a scene of crime?) and the (poignant) narrative almost resembles a detective novel, a body of evidence for a certain (private) investigation, an accidentally registered fragment of truth, as within the drawing’s frame of optical device in Greenaway’s Draughtsman Contract or a (hidden) unexpectedly frozen photographic detail in Antonioni’s Blow Up which helps to reconstruct a sequence of intriguing (criminal) events. As a spatial diagram, it hides a secret, a missing link of truly Hitchcockean suspense which excites and intrigues an imagination with a certain unknown tracing of a plot, inscribed in a symbolic and complex language of a labyrinthian pictogramic code which belongs to a particular urban environment. Analysing the Egyptian labyrinth described by Herodotus, Hubert Damisch observes that “beyond certain spatial or merely numerical limits, and however clear and regular its plan, every built structure lends itself to multiple traversals that are themselves labyrinthine”. He continues by recalling Benjamin and his reading of Poe and Baudelaire regarding the notion that “the paths traced by the man of the city, by the man of the crowd, effectively evoke the illegible, indecipherable figure of a labyrinth whose subterranean presence will obliterate the image of the city all the more insofar as the latter is homogenous and extended”. Damisch turns his attention to the significance of windows as one of the gazes that the city opens onto itself—actually a privileged gaze of singular, individual and private nature, the one through which both the street and the labyrinth of the city erupt into the space where subject resides. Windows are sites, where interior meets exterior, where inside encounters outside, and as such, they function “as emblems or symbols of circulating flux, of the physical, drive-based impulses characteristic of large cities, whose glass is unable to filter out external violence”. In Klopf’s project, they become the blackboards of subjective geography, where the urban labyrinth is deciphered and overexposed with all its real and fictitious topography of mental and physical events, but they also function as (optical) instruments of a social control, (transparent) witnesses of transgressions committed within the streets and all the outlawed and unauthorized uses of the public realm, truly Borgesian mirrors of (urban) enigmas.

In the artist’s photographic series though, the phantasmagoria of the enigmatic and the extraordinary is firmly intertwined with the ordinary and the elemental. His Streets are the sites of the ordinary man, “a common hero, an ubiquitous character, walking in countless thousands on the streets”, to whom Michel de Certeau dedicates his Practice of Everyday Life and the entire project seems to be generated by a spatial practice which links a desire to tame a space with a truly Borgesian illusion of “possessing the whole” on the way to produce a knowledge of a beyond local and intimate dimension. Encountering Karl-Heinz Klopf’s photographs, one recalls both, the astonishing frenzy of representation, expressed in a pathology of scale and proportions as reflected in Borges’ description of a perfect, quasi-scientific and hypnotic attempt at verbally mapping the confines of reality, and a crisis of representation, as analysed by de Certeau in his studies on “walking in the city” which begins with an appropriation of an experience of viewing Manhattan from the 110th floor of the former World Trade Center: “what the spectator perceives is a geometrical ecstasy on the edge of optical breakdown: a wave of verticals. The elevation transforms him into a voyeur for whom the world by which one was possessed appears now as a text which lies before one’s eyes”. But for de Certeau, this “immense texturology” is anything more than a fiction, a representation, an optical artefact which resembles a facsimile produced by the space planner, an urbanist or a cartographer. Criticising a pleasure of “seeing the whole”, a panorama-city as a theoretical visual simulacrum, he turns into the ordinary practitioners of the city: walkers, “whose bodies follow the thicks and thins of an urban text they write without being able to read it”. Thus identifying spatial practices, Michel de Certeau expands the meaning of the notion of flanerie. His “rhetoric of walking” is a strategy of concentrating on everyday life and focusing on walking in order to overcome the functionalistic view of the city as a view from above. Here, a walking activity is being perceived as a certain kind of “poetic geography” of urban sites, which aims at constructing “micro-narratives” linked to the moving and strolling body. Dealing with representation and mapping a terrain of his temporary habitation, Klopf negotiates the symbolic vocabulary of a double lie, which is often associated with the elaboration of maps. The miniature (urban) text oscillates between omission and falsification: it synthesizes and simplifies particular chosen surroundings thus filtering them and censoring them through a lens of his own perceptive skills, intention, and a selection process but it also manipulates them, shifting their geometries and proportions, according to his own purposes and directions. Thus achieved, reduced and sublimated, “transposed image” becomes an autonomous sign, an icon on the crossway of reality and imagination, information and fiction, in the shadow of truth and illusion of totality.

Klopf’s series of Streets is a personal travelogue and a diary of walking written with an alphabet of pictograms where each is an autonomous spatial poem, shaped by the fragments of trajectories and alteration of spaces, in a web of networks and independent pathways. Here, the walking is a space of enunciation: according to de Certeau, it is a process of appropriation of the topographical system on the part of the pedestrian, but it is also a spatial acting-out of the place and it implies relations among differentiated positions while moving between places. Resembling a postcard sent from a distant destination, Klopf’s photographs bear an (anonymous) inscription From/To, which indicates both the travelling (or a walking) route that was challenged by the artist, as well as possibly the personal relation that was addressed by this sign of presence and an evidence of a geographical spot. It is a sort of certificate of existing reality, an essential aspect of a legend, which together with memory and a dream constitutes a symbolic mechanism which organizes the topoi of a discourse on and of a city. Attached to a map, a legend provides a narrative structure and a meaning to the applied symbols and codes of a geographical knowledge. It is a panel of names and symbols, icons and colours that cover the surface of a topographic plan, a blackboard where all stories and information are simultaneously hidden and revealed. Klopf’s series of photographs are the collections of such legends and myths that remind of both Japanese “address books” with their larger-than-life narrative volume and of the emblems of a minimal stylistics that operate through a tension between their transcendental ambition and formal simplicity. Depicting always a very precisely described location, they are also the collections of memories and identities, as if finger prints of subjective space and time, diagrams of past events and the ephemeral moments, units of thought and experience that here become formative givens in the process of producing a spatial organization of knowledge. As such, the pictograms are screened on the surface of a window which reconnects them with the exterior they come from and belong to. They are collections of projections, dreams and phantasms of a (proper) space, a mental exterior, tamed and appropriated by the personal mapping, registered and embraced by a familiar frame, beyond any available rationalities and categorizations. Here is a catalogue of private mythologies, a memoir and a book of dreams stored in an archive of a hectic cartographer.

In his attempt at producing a spatial knowledge, Klopf performs a multiple task of a geographer and that of a cartographer. He is drawing his own personal version of a map, which is often denoted as a model, in which symbols stand for spatial phenomena in the “real” world. By doing so, the artist enters the area of ontological and epistemological questions regarding what is “reality”, how can it be represented and how is it interpreted and read. Here, the map is a particular text, which portrays a generalised representation of reality and as such it deals with four, according to Arthur H. Robinson, elements of simplification, classification, symbolisation and induction that provide the user with the spatial information and data. Jacques Bertin, the author of the theory of graphic semiology, elaborates the schemata used for the graphic symbolisation, which serves the two main purposes of maps: as a visualisation tool and as a communication device. Such purposes are being executed by the three categories of symbols: point, line and area, which are responsible for the hierarchy of objects, measurements, scales, densities and all other parameters, ordered by the cartographer in his meticulous occupation of representing the world and consequently applied by the geographer in his task of “drawing the world”. From its Greek etymology, geo-graph indicates the drawing of the world; it is a story of a line—geography as such is nothing but the drawing and interpreting of a line. Klopf is drawing a line while walking and strolling through the streets that embrace and construct his temporary neighbourhood, thus sketching linear architectures of particular accuracy, precision and elegance. The very word line, as Roland Barthes points out at the beginning of Empire of Signs, has a double connotation, both graphic and linguistic. Graphics and language sustain a relation with writing, thus constituting a particular expression of verbal and nonverbal nature. According to Deleuze and Guattari, „we are composed of lines . . . or rather, of bundles of lines, for each kind is multiple”, and our task is to invent our own lines of flight and to effectively but subtly draw them in our lives. Depending on the individual, or species, lines constitute the matrix of human navigation and indicate the trajectories of our acting. The authors recall the studies of Fernand Deligny, who transcribes the lines and paths of autistic children by means of maps, where the practice of walking, but also perceptions, gestures and language, are structured by “lines of drift” and “customary lines”. These lines are constantly crossing, intersecting for a moment, following one another, thus expressing a certain dynamics of an affair of cartography, which composes our map: such is the rhizome which soon becomes the locus of language, a signifier and a structure, another labyrinthian architecture, a burrow, which constitutes a Body without Organs (“itself an abstract line with neither imaginary figures nor symbolic functions”). What is your body without organs?—Deleuze and Guattari investigate—“what are your lines? What map are you in the process of making or rearranging? What abstract line will you draw, and at what price, for yourself and for others? What is your line of flight? What is your Body without Organs, merged with that line? Are you cracking up? Are you going to crack up? Are you deterritorializing? Which line are you serving, and which are you extending or resuming?”. Composed of forking lines and curves, Karl-Heinz Klopf’s pictograms are the subjective rhizomes, Deleuzian maps that are involved in both experimenting with the real and constructing the unconscious. They are marked by potentiality and flexibility: “the map is open and connectable in all of its dimensions; it is detachable, reversible, susceptible to constant modification. It can be torn, reversed, adapted to any kind of mounting, reworked by an individual, group, or social formation. It can be drawn on a wall, conceived as a work of art, constructed as a political action or as a meditation”. Here is the plan of possibilities, a dictionary of strategies and tactics, an array of modes of operation, a guarantee of psychic comfort and security, but on the other hand, anxiety of getting lost in the web of intersecting lines, of reaching a dead end in a maze of multiple entryways, of following lines that never . . .

In Klopf’s photographic series, the marking or tracing of space is integrated with a desire to register time. His From/To indicates as much a spatial relation as it is concerned with a particular duration, a time flow. Each map and a drawing are as much an evidence of a particular space, as it constitutes a calendar of travels and walks, a certain itinerary of arrivals and departures. It documents a presence in a similar way as On Kawara’s “Date Paintings” or his Postcards aim at visualizing (personal) time and registering life, or Roman Opalka’s painterly, photographic and tonal “rituals” during which the artist almost literally catches the passing moment by inscribing and “pronouncing” the numbers and simultaneously by drawing a map of time in a series of photographic self-portraits. Karl-Heinz Klopf’s presence is predominantly spatial, and as such it reflects the working of a memory and remembering, longing and separation, and last but not least, it reveals a construction of private histories and affairs—between hypothesis and fact, truth and fiction—in an on-going process of a translation into a language of collective consciousness, available for all.

Literature:Barthes, Roland. Empire of Signs. New York: Hill & Wang, 1983.
Berg, Stephan; Engler, Martin (editors). Die Sehnsucht des Kartografen. Hannover: Kunstverein Hannover, 2004.
Bertin, Jacques. La Semiologie graphique. Paris: Mouton, 1967.
Damisch, Hubert. Skyline. The Narcissistic City. Palo Alto: Stanford University Press, 2001.
de Certeau, Michel. The Practice of Everyday Life. Berkeley: University of California Press, 1988.
Deleuze, Gilles; Guattari, Felix. A Thousand Plateaus. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1996.

Published in: Karl-Heinz Klopf – From/To, Bielefeld/Leipzig: Kerber Verlag, 2007.